Hamburg 2012 ‘traveling deutsche bahn’
Mein elektronisches Logbuch (Auszug)
Donnerstag, 23.02.2012
13:46 Uhr / Duisburg Hauptbahnhof
Gleis 13: Auf, auf. Ein neues Abenteuer „traveling deutsche bahn“ bei Facebook gepostet. Bis Münster keine Kommentare. Na toll, warum schreibe ich überhaupt bei Facebook, wenn keiner seinen Senf abgibt? Zur Strafe lauwarmen Kaffee für 2,50 € im gut gefüllten Großraumabteil genossen.
Die Zeit vergeht nicht, wäre ich doch besser mit dem Auto gefahren oder mit dem Flieger. Besser noch, ich wäre erst gar nicht auf die Idee gekommen nach Hamburg zu reisen. Was mach ich da eigentlich?
Heute Abend ein Meeting bei der Zeitschrift „Yacht“, der Bibel der deutschen Segler. Morgen von 9-18 Uhr Assessment-Center beim DSV, der Verband der deutschen Segler. Mal sehen wie es wohl so weitergeht. Jetzt sind wir kurz vor Osnabrück. Geht doch!
Schlage die Langeweile tot und übe ein bisschen Funkverfahren im Seenotverkehr (SRC). Ist es eigentlich wichtig zu wissen, dass eine EPIRP Funkbarke auf 406 MHz verzweifelt versucht einen Satelliten zu finden? Ist mir doch egal auf welcher Frequenz die sendet, Hauptsache sie findet den Satelliten. Bau ich die Dinger etwa? Siehste!
Warum senden wir heute nach WRC07 3 x Mayday und nicht wie davor nach Einführung GMDSS nur 1x? Warum sagt man nach dem internationales Buchstabieralphabet zu W „Whiskey“ und nicht „Water“? Wer oder was waren die „Zulus“ in diesem Alphabet und warum buchstabiert man die Ziffer 4 nicht four, sondern „karte-fauer“? Fragen über Fragen.
Ich sagte ja bereits, wäre ich mal lieber mit dem Auto gefahren, dann könnte ich mir diese Gedankengänge sparen, denn da müsste ich mich zwischen Osnabrück und Hamburg auf die verengten Fahrspuren in der Großbaustelle A1 konzentrieren.
Gerade kam eine Durchsage im Zug. Wir halten nicht in Bremen, sind dadurch 6 Minuten früher in Hamburg als geplant. Was ist denn hier los? Zuerst fährt der Zug in Duisburg pünktlich los und nun kommen wir auch noch früher an. So nicht liebe Bahn, so nicht.
Ich glaube ich über lieber noch ein paar Funkverfahren, damit ich bei späteren Prüfungen als bestellter Prüfer (bestellt, was für ein starkes Wort) auch den Anforderungen eines Prüfungstages gewappnet bin und bei den Teilnehmern, pardon den Bewerbern auch die Tagesform erkennen kann.
Besonders spannend ist dies beim s.g. LRC, dem Schein für die weltweite Fahrt, also da, wo die UKW Funkwellen nicht mehr hinreichen. Denn beim Long Range Certificate weiß ich im Moment bestenfalls soviel wie ein mittelmässiger Bewerber. Ein wissensdurstiger Bewerber könnte mich auffliegen lassen. Zum Glück muss ich ja keine Fragen beantworten. Apropos Durst: Die rollende Getränkebar schaukelt gerade durch mein Abteil. Gewerkschaftlich angeordnete Pause!
Pünktlich erreichen wir Hamburg. Hatte ich schon gesagt, dass wir 6 Minuten früher angekommen sind, als geplant? Stark!
Zu Fuß mit meinem kleinen Trolley, kurz „Fiffi“ zur Redaktion der „Yacht“. Schon wieder eine Herausforderung. Der Hauptbahnhof hat zwei Ausgänge. Von einem davon sind es in die richtige Richtung nur 3 Minuten bis zur „Yacht“. 50-50% den richtigen Ausgang zu treffen. Dann noch mal 50-50% rechts oder links. Ratet mal welchen Ausgang und welche Richtung ich genommen habe? Dank GPS Verfolgung von I-phone ist der Fehler aber recht schnell aufgefallen und die Redaktionsräume nach ca. 15 Minuten erreicht.
Garderobe und ab zur Bar. Jever! Lecker! Stark! Buffet erstklassig, viele namhafte Gesichter der deutschen Seglerszene gesichtet und teils gesprochen. Gegen 22:00 Uhr und dem ?? Jever packte mich die Vernunft. Ab zur S-Bahn.
Vor dem Fahrkartenautomat innehalten. Zone 1, 2, 3oder 4. Wo, wie, welchen Knopf wann drücken? Klar, dass hier Rentner überfordert sind, wie die Presse es immer schreibt. Aber ich, ich bin doch noch nicht soweit. Egal, Zone 4 gebucht, muss passen. 20 Minuten später stehe ich am Flughafen. Nun nur noch zu Fuß zum „Motel One“. Linksrum oder rechtsrum, nach Norden oder Süden laufen. Dank GPS Kurs Süd.
Ich laufe mit meinem „Fiffi“ und sehe nach ca. 2 km die Leuchtreklame vom Hotel. Dummerweise trennt mich ein 2,5 m hoher Zaun von der Hotelbar. Kein Tor, kein Durchkommen. Also wieder zurück. Hatte ich schon gesagt, dass es angefangen hat zu fisseln. Fisseln, das ist die Art von Regen, die keiner haben muss. Eine Flughafenmitarbeiterin, die gerade Feierabend macht erkennt meine Notlage als erste und bringt mich zum Hotel. Nett!
Check-In, „Fiffi“ aufs Zimmer verbracht und ab an die Bar. Ein Absacker darf es doch zur Belohnung noch sein. Ich bin froh und dankbar, dass ich den Absprung bei der „Yacht“ rechtzeitig geschafft habe. Das nenne ich mal Körperbeherrschung. Stark!
Freitag, 24.02.2012
Um 06:20 Uhr reißt mich mein Wecker aus der Tiefschlafphase. Die große Regendusche erledigt ihren Job und so stehe ich um 07:15 Uhr am Frühstücksbuffet.
Ringelnatz beschrieb meine Gefühlslage so:
Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.
Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich “Euer Gnaden”.
Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.
Ein nicht sprechender Taxifahrer (kennt Ringelnatz bestimmt nicht) bringt mich zu den heiligen Räumen des DSV. Schon am Eingang prangt das Schild: Herzlich Willkommen zum Assessment. 2. Etage! Namensschild schnappen, Gruppe finden.
Ich bin Gelb! Hätte mir grün gewünscht, denn grün ist die Hoffnung. Fängt ja schon bescheiden an. Positiv, es bleibt mir noch Zeit für einen Kaffee. Die ersten Teilnehmer treffen ein, man lernt sich kennen.
Apropos Kennenlernen. Punkt 9 Uhr beginnen wir mit einer Vorstellungsrunde in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge. Umgekehrt. Habt Ihr das verstanden? Wie war mein Nachname doch gleich. Beginnend mit Zulu. Vorstellung in 60 Sekunden. Wer, Was, Wieso, warum… Ich verzettel mich und brauche 1:30. Bescheiden!
Durchgehend bis 18 Uhr Assessment-Center beim DSV. Hab echt keine Zeit was ins Logbuch zu schreiben. Stress pur! Aber es ist kurzweilig. Da hat sich jemand wirklich was bei gedacht. Nicht zu vergessen, die geniale Gulaschsuppe zur Mittagspause. Stark!
Im Nachgang fällt mir eigentlich nur ein, dass ich froh und glücklich bin es geschafft zu haben und das mir meine Schwächen im LRC bestätigt, an andere Stelle aber eben auch meine Stärken hervorgehoben wurden.
So sitze ich um 18:40 Uhr in einer typischen Hamburger Kneipe am Hauptbahnhof und feier meinen Erfolg mit zwei Holsten vom Fass, die im Übrigen auch die einzigen Gäste im Lokal sind.
Die Rückfahrt mit der Bahn verläuft so wie die Hinfahrt. Pünktlich auf die Minute. Im Zug Ruhe, keine randalierenden Fußballfans, ein Abteil mit Platz zum Ausstrecken. Darüber sprechen wir noch liebe Bahn. Wir sind noch nicht fertig miteinander. Eine Chance habt Ihr noch, wenn es das nächste Mal heißt: Auf, auf. Ein neues Abenteuer „traveling deutsche bahn“.
-Ende-