Containerschiff-Reise 2018
Containerschiffreise mit der M/V Henrike Schepers oder Drei Mann auf einem Boot könnte der Titel lauten. In diesem Fall sogar 3-Generationen.
Nautisch nicht ganz unbelastet haben wir uns auf einer Seereise eingebucht.
Die deutsche Reederei Schepers macht das über einen Agenten (Frachtschiffreisen-Pfeiffer) möglich.
So ging es für uns am 20. August nach Rotterdam, wo wir uns zuerst bei der Port-Police registrieren mussten.
Schnell und unkompliziert wird man nach Vorlage des Beförderungsvertrages und der Ausweise in ein Computersystem eingepflegt, auf das alle Häfen in Rotterdam Zugriff haben.
Nun gilt es in dem riesigen Hafengebiet das richtige Hafenbecken zu finden. Nicht ganz ohne, wenn man unvorbereitet losfährt. Aber dank der guten Anreiseinformationen haben wir den Waalhaven gut gefunden. Dort angekommen meldet man sich an der Einfahrt beim Pförtner, der im Computersystem kurz nachschaut und sieht, ob man befugt ist oder nicht. Also ohne vorheriger Registrierung kommt man nicht aufs Hafengelände. Macht ja auch Sinn!
Um 15 Uhr konnten wir bereits an Bord. Der Kapitän hat uns persönlich begrüßt und uns dann in die Obhut des 1. Offiziers übergeben, der uns nach einer Sicherheitseinweisung das Schiff und unsere Kabinen gezeigt hat. Es handelt sich um zwei Gästekabinen, die auf dem Schiff buchbar sind. So waren wir alleine!
Der Ladevorgang war bereits voll im Gange, ein Container nach dem anderen flog wie von Geisterhand an Bord und fand seinen Platz. Der 2. Offizier überwacht den Vorgang und kontrolliert die Ladepapiere. Gleichzeitig werden alle Container die über Deck stehen von der Besatzung gesichert (gelascht), damit sie bei Seegang nicht über Stach (Bord) gehen können.
Unsere M/V Henrike Schepers misst 140m Länge und fasst 800 TEU Container.
Zur Erklärung: Weltweit wird die Ladekapazität von Containerschiffen in TEU angegeben. Ein TEU Container misst 20 Fuß Länge. Die genauen Abmessungen sind 6,058m Länge; 2,438m Breite und 2,591m Höhe. Die Container, die man auf den LKW so sieht sind doppelt so groß, also 40 Fuß lang.
Würde die Henrike also nur mit 40 Fuß Containern beladen, würden 400 Stück Platz finden. Im Europäischen Verkehr gibt es noch Zwischengrößen (z.b. 45 Fuß), was das Zusammenstellen der Ladung komplizierter macht. In der weltweiten Fahrt werden aber nur 20 und 40 Fuß Container transportiert.
Die Erfindung der Container ist eigentlich noch nicht ganz so alt, wie man vielleicht vermuten mag. Der Amerikanische Spediteur Mr. Malcom McLean hat das Packmaß erst 1956 erfunden und auf den Weg gebracht. Rasend schnell hielt die praktische Lösung weltweit Einzug. Heute ist die Containerschifffahrt nicht mehr wegzudenken. Fast alles wird heute in den ‚Schachteln‘ transportiert.
Die 13 Personen Besatzung sind auf der ‚Henrike‘ gut beschäftigt und haben auf den unterschiedlichen Kurzstrecken zwischen England, Belgien und Holland nur wenig Zeit zum Durchschnaufen.
Abends ging es dann los Kurs Tilbury, einem Seehafen an der unteren Themse. Mit dem letzten Licht haben wir das offene Meer in Hoek van Holland erreicht. Unglaublich viel Schiffsverkehr, Kursabsprachen über die einzelnen Leitstellen, Lotsenfahrzeuge, Schlepper… Es ist fast wie auf der A3 im Kreuz Breitscheid. Erst weit draußen, wenn sich alle Schiffe ihren Kurs gefunden haben wird es ruhiger auf der Brücke.
Morgens um 6 Uhr sind wir wieder auf der Brücke und genießen den ersten Kaffee. Um 7 Uhr liegen wir vor der Schleuse zum Containerhafen Tilbury. Die Schleuse ist bereits für uns geöffnet und wir nutzen nach der Einfahrt die Zeit und stürmen hungrig die Messe (Aufenthaltsraum neben der Kombüse), wo auch die Mahlzeiten eingenommen werden.
Der junge, immer gut gelaunte Koch nimmt unsere Wünsche auf und es gibt Rührei mit Speck und Würstchen. Typisches englisches Essen halt. An Bord gibt es 24h Kaffee und Tee. Softdrinks können zollfrei, also sehr günstig erworben werden. Alkohol ist an Bord verboten! Drei warme Mahlzeiten gibt es täglich! Keine Extrawurst, echte Hausmannskost. Reichlich & lecker.
Um 9 Uhr liegen wir an unserem zugewiesenen Platz unter zwei Containerbrücken, die auch sofort anfangen. Über einen Agenten rufen wir uns ein Taxi und verlassen das Hafengelände. Am Bahnhof Tilbury erwerben wir Fahrkarten für 24h, die auch für die U-Bahn und Busse in London gilt. 15,-€/Person. Nach 40 Minuten erreichen wir die Endstation und wechseln in die U-Bahn.
Ich war schon mehrfach in London und so ging es eigentlich darum die wichtigsten Sehenswürdigkeiten für Gerrit anzusteuern. Tower Bridge, Westminster Abbey, Big Ben, London Eye, Trafalgar Square, New Scotland Yard… Rein in die U-Bahn, raus aus der Bahn, Treffen rauf, Treppen runter… Aber wir wollten das ja so. Schließlich hat man an Bord nicht so viel Bewegung, da kann man schon mal einen solchen Touritag angehen.
Ein tolles ‚Glasbiergeschäft‘ haben wir dann zwischendurch auch noch gefunden. Dies war ein von mir gewünschter Halt. ‚Princess of Wales‘ ist eine sehr alte Kneipe im Herzen von London mit 12 Bieren am Hahn! Hier spürt, riecht und schmeckt man förmlich Geschichte.
Um 15 Uhr haben wir uns wieder auf den Rückweg nach Tilbury gemacht, denn hier hatten wir noch einen wichtigen Programmpunkt! In der Hafen- und Arbeiterstadt wollten wir ‚Fish and Chips‘ essen. So richtig urig, typisch. Leider ist in Tilbury die Zeit nicht stehen geblieben. Jedes dritte Haus steht leer. Vor 30-40 Jahren haben im Hafen sicherlich doppelt so viele Menschen Arbeit gefunden. Vermutlich der einzige Nachteil der Containererfindung.
Abends um 20 Uhr ging es für uns dann wieder raus durch die Schleuse auf die Themse. In einem traumhaften Sonnenuntergang Richtung Mündung. Unterwegs sind wir dann noch an einem Tiefwasserhafen vorbei gekommen, wo gerade ein Riese seinen Platz gefunden hatte. 380m Länge, mit 21.000 TEU. So hoch und groß, dass wir uns bei der Vorbeifahrt wie ein Sportboot vorkamen. Und wir auf der Brücke waren mit 43m über Wasser schon nicht klein.
Bis morgens um 01:00 Uhr sind wir noch auf der Brücke gewesen. Nach passieren der vielen Windparkanlagen ging es dann auf Kurs Vlissingen (Scheldemündung vor Antwerpen), wo wir 58 Container (40 Fuß) mit Bananen und Ananas übernehmen sollten.
Morgens gegen 4 Uhr (haben wir verschlafen) kam der Lotse mit einem ‚Pilotboot‘ an Bord, der uns in den Containerhafen Vlissingen brachte. Ab 05:30 Uhr war ich wieder auf der Brücke und bereits für einen Sonnenaufgangskaffee. Um 09 Uhr haben wir in Vlissingen angelegt, der Lotse ging von Bord und das Beladen begann.
Um 13 Uhr kam wieder ein Lotse und brachte uns raus auf’s offene Meer, wo er mit dem Pilotboot abgeholt wurde. Bei noch ablaufendem Wasser rauschten wir mit 19kn (rund 35 km/h) Fahrt durchs Wasser.
Zeit für einen Rundgang über das Schiff, vor zum Bug und in den Maschinenraum. Laut, heiß. Sehr laut! 11.000 PS, dazu zwei Generatoren zur Stromversorgung der Kühlcontainer, die auf Volllast liefen.
Um 17 Uhr waren wir dann wieder in Rotterdam. Kaum fest, ging es wieder ans ‚Laden und Löschen‘ der Container. Wir packten unsere sieben Sachen, genossen noch das Abendessen und machten uns nach der herzlichen Verabschiedung dann auf den Heimweg. Also erst wieder zur Port Police austragen und dann in 2 Stunden Autofahrt nach Hause.
Fazit: Es war eine tolle, kurzweilige, erlebnisreiche Zeit an Bord. Keine Kreuzfahrt, aber eine echte Seefahrt ohne Sonderstatus, dafür authentisch und mittendrin im Geschehen und in der Mannschaft integriert und akzeptiert. Besonderer Dank an den sehr offenherzigen, netten Kapitän, der mit allen Wassern gewaschen ist. Ein toller Mensch!
Anders gesagt:
-Der Kapitän ist nicht über Bord gesprungen.
-Die Besatzung hat uns ertragen.
-Wir drei sprechen noch miteinander.
-Henrike schwimmt noch.
Besser konnte es doch nicht laufen oder habt Ihr beim Lesen einen Fehler erkannt?
Herzliche Grüße
Christian, Vattern Gerhard und Sohnemann Gerrit
Hier nun noch drei Videoschnipsel und anschließend alle Bilder der Reise.
Viel Spaß!